Immo-Blog

"Wir platzen aus allen Nähten"

… oder wann bedingt es eine Immobilien-Strategie.
Wie lange sind unsere Bücher noch voll? Können wir uns die Investition leisten? Um wie viel können und wollen wir wachsen? Wann kann die Nachfrage wieder einbrechen? Ist diese Investition auch wirklich nachhaltig? Wofür soll aber eine Investition getätigt werden?

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    Prolog

    Nach der Angst kommt die Hoffnung, dann die Zuversicht und schlussendlich die Bestätigung, die Krise ist überwunden - die Wirtschaft boomt. Die Auftragsbücher sind wieder voll und versprechen eine Auslastung der Betriebe bis zur – oder gar über die Kapazitätsgrenze hinaus. Die Euphorie hat gesät und die Zukunft soll die Ernte bringen. Doch hierzu brauchen wir mehr Platz! Die Produktionsstrassen müssen ergänzt, das Personal aufgestockt, der Fuhrpark erweitert werden. Doch das alles braucht Platz...und der kostet. Er kostet als Investition und er kostet vor allem im Betrieb und Unterhalt. Doch er kostet auch Zeit bis er zur Verfügung steht. Was nun?

    Es gilt den Sachverhalt genau zu prüfen. Ein Vorgang, welcher – da bin ich mir sicher – richtigerweise akribisch von jedem Unternehmen in dieser Situation angegangen wird. Wie lange sind unsere Bücher noch voll? Können wir uns die Investition leisten? Um wie viel können und wollen wir wachsen? Wann kann die Nachfrage wieder einbrechen? Ist diese Investition auch wirklich nachhaltig? Wofür soll aber eine Investition getätigt werden?

    Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es?

    Nach meiner Erfahrung wird in dieser Phase der Fächer der Möglichkeiten, mit welchen Massnahmen einer solchen Situation entgegengetreten werden kann, zu wenig geöffnet. Meistens ist die Ursache schnell gefunden, zu schwer lasten die Indizien. Wir platzen aus allen Nähten, es braucht mehr Platz, wir müssen bauen!

    Für mich ist das Bauen von Flächen und Volumen, also von Platz, nur eine von vielen möglichen Massnahmen im Umgang mit Wachstum, speziell bei konjunkturbedingtem Wachstum. Viel effektiver und effizienter ist in diesem Fall die primäre Überprüfung der operativen Prozesseffizienz. Wo hat es noch Potenzial? Sind die Arbeitsabläufe richtig strukturiert und verknüpft? Sind die Mitarbeiter-Innen motiviert und somit leistungsbereit? Werden die definierten Prozesse gelebt und sind somit fördernd und nicht hindernd? Punkte, welche vielfach eine Effizienzsteigerung zulassen und die Massnahme „Bauen“ beeinflussen. Eventuell kann so auf das Bauen ganz verzichtet oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden oder die Realisierung erfolgt in Phasen. Faktoren, welche die Liquidität beeinflussen, die anders, sprich, für die eigentliche Wertschöpfung, zur Verfügung stehen kann.

    Bauen als Lösungsmöglichkeit

    Resultiert nach all diesen Überlegungen das Bauen als die betriebswirtschaftlich sinnvollste Massnahme, dann sollte auch hier der Fächer der Möglichkeiten weit geöffnet werden. Leider wird die Hülle, unter welcher wir trocken und warm unser Geld verdienen, zu sehr als Mittel zum Zweck betrachtet. Wobei dies eine legitime, wenn bewusste, Haltung sein kann. Vielmehr erkenne ich aber bei (zu-) vielen Objekten, dass sie mehr Resultat von Zufall, als von bewusst strategischem Handeln sind. Es stellt sich natürlich die Frage, ob zum Beispiel eine Lagerhalle dem Anspruch von hochwertiger Architektur gerecht werden muss. Dies ist jedoch nicht die eigentliche Frage. Vielmehr sollte die Frage im Vorfeld lauten: Was soll mit einer Lagerhalle erreicht werden? Soll sie bloss eine Hülle sein, kostengünstig in Investition und Unterhalt? Oder soll sie als Marketinginstrument Verwendung finden und so einen Zusatznutzen / Mehrwert für die Unternehmung generieren? Ein Gebäude kann helfen das Unternehmen zu positionieren und ein Image zu manifestieren. Nachhaltig und umweltgerecht, prestigereich und luxuriös, bescheiden und bodenständig, innovativ und zukunftsorientiert, etc. Als Beispiel wäre die neue Firmenzentrale von Apple zu nennen. Selbst als sie erst als Skizze bestand war sie doch bereits auf allen sozialen Medien präsent. Ein Marketing-Effekt, einfach so um sonst.

    Über einen stringenten Prozess zur bewussten Lösung

    Dennoch, für einmal geht es nicht um das „WAS“ sondern um das „WIE“. Wie läuft der Prozess ab der Erkenntnis, dass das Unternehmen an die Kapazitätsgrenze stösst, bis zur Definition und Umsetzung der für die Unternehmung geeignetsten Massnahmen? Massnahmen die nachhaltig sind - klar - vor allem aber bewusst über einen strukturierten Prozess definiert werden um so die daraus folgenden Konsequenzen zu erkennen. Analog oder gar parallel zur Unternehmensstrategie ist auch die Immobilienstrategie zu definieren. Die Immobilie ist eine Ressource zu vergleichen mit jener der Belegschaft. Im übertragenen Sinn muss für die Immobilie auch eine Stellenbeschreibung, ein Pflichtenheft, etc. erstellt werden um die Aufgabe und Rolle der Immobilie zu definieren. Nur über eine bewusste, also strukturierte Bestellung der Ressource „Immobilie“ kann diese der Unternehmensstrategie gerecht werden, resp. unterstützend im operativen Alltag wirken. Wenn die Planung den Zufall durch Irrtum ersetzt, so ist geplantes und bewusstes Vorgehen immer noch überprüfbar und steuerbar. Zufall bleibt jedoch Zufall, auch beim Erfolg.

    Wo endet die Unternehmens- und wo beginnt die Immobilienstrategie?

    Mit dem Bewusstsein, welche Massnahmen, welche Konsequenzen nach sich ziehen, können Überraschungen bei den Investitionskosten reduziert oder gar vermieden werden. Nicht nur dies, Kosten für Betrieb und Unterhalt können um ein Vielfaches reduziert werden, falls das entsprechende Wissen dazu zur Verfügung steht. Wissen, welches durch die Investitionskosten Einfluss auf die Bilanz aber vor allem durch die Betriebs- und Unterhaltskosten auch auf die Erfolgsrechnung haben kann und somit auf die Liquidität der Unternehmung, Jahr für Jahr für Jahr.

    Welche Unternehmung berechnet die Investitions- / Betriebs- und Unterhaltskosten für die Immobilien, wenn die Unternehmensstrategie die Expansion vorsieht und stellt sich somit die Frage, ob die Vorleistungen / Voraussetzungen zur Erreichung der Strategieziele überhaupt finanziell tragbar sind? Wer berücksichtigt bei der Definition / Umsetzung der Unternehmensstrategie auch die immateriellen Aspekte, wie zum Beispiel die Imagewirkung von Gebäuden?

    Es ist gut möglich, dass in jeder Disziplin die Verantwortung durch die Fachkompetenz übernommen wird. Doch selten gibt es eine stringente Betrachtung der Gesamtsituation und somit einen interdisziplinären Lösungsansatz, welcher alle Massnahmen und deren Konsequenzen zur Erreichung der Strategie in einem bewusst strukturiert geführten Prozess abbildet.

    Epilog

    Eigentlich ist die Notwendigkeit des prozessorientierten Vorgehens in der Definition und Umsetzung einer Strategie jeder Unternehmung bewusst. Doch meistens ist dieser Akt fokussiert auf die direkte Wertschöpfungskette. Vorleistungen / Voraussetzungen, selbst zwingende, wie die Ressource „Immobilie“, welche per se nicht der Wertschöpfungskette angehören, werden zu wenig beachtet oder gar negiert. Doch genau hier liegt viel Potential brach, resp. wird viel Geld unbewusst und unbemerkt verschleudert. Eine strukturierte Definition und prozessgeführte Umsetzung einer Immobilienstrategie kann dies verhindern. 

    David Frei
    Dipl. Architekt HTL 
    Ökonom EMBA